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Wolfsjagd in Udmurtien


Bereits im Herbst vor zwei Jahren hat Wladimir Rjabov, Sergey und mich zur Lappjagd auf Wölfe hier nach Kopki in sein großes Revier eingeladen. Annehmen können wir die Reise erst jetzt, Ende Januar 2012, denn im letzten Winter gab es keinen Spielraum in meinem beruflichen Terminkalender. Und so sind wir beide einen Tag vor meinem Geburtstag unterwegs mit dem Flieger nach Moskau, um dann mit unseren Russischen Kunden und Freunden, Michael und Andrew, gleich weiter zu reisen. Mit dem Nachtzug ins weit entfernte Udmurtische Land, nach Osten, kurz vor das Uralgebirge.

18 Stunden dauert die Fahrt. Zu viert in einem typisch kleinen, aus den 60er Jahren stammenden Schlafwagenabteil, nebst noch älterer weiblicher Zugbegleiterin. Das lässt bei uns dann auch gleich den westeuropäischen Zivilisationsmechanismus abklingen. Da wir besteckmäßig mit nur einem Messer ausgerüstet sind, mampfen wir gemeinsam und ungeniert unsere vor der Reise im Moskauer Supermarkt erstandenen Fresspakete weitestgehend mit den Fingern.

Ausgestiegen in irgendeinem kleineren Bahnhof, irgendwo kurz vor der Hauptstadt Ischewsk, pfeift uns sofort ein anderer, ein saukalter Wind ins Gesicht. 17 Grad Minus hat es hier momentan und der Chef- Mechaniker vom Jagdhof, der uns gerade in Empfang nimmt mit seinem UAZ-Bus meint 'die letzten Tage hatte es hier bis unter 30 Grad Minus und jetzt wäre gerade eine seltene Wärmeperiode'.

Gut, dass ich noch schnell in Deutschland eine mit Schaffell versetzte Unterwäsche- Garnitur erstanden habe und so ich schaue dieser kalten Herausforderung gelassen entgegen. Habe ich doch bei meinem letzten Besuch hier russische Winterjagdklamotten eingekauft, die jetzt zeigen müssen, dass sie ihr Herrchen auch schön warm halten können.

'Priechali' heißt 'Angekommen' auf Russisch und in der großen Jagdhütte hier am Rande des kleinen Dorfes Kopki ist der Teufel los, als wir vier da einfallen. Viele unserer Bekannten sind da, der Jagdchef Wladimir, sein Sohn Artem mit Frau, unsere Köchin Tanja und die Freundin vom Chef, die sonst alle Dinge in der Hand hält und für unser Wohlergehen zuständig ist. Ein schweres Abendessen folgt mit Speck, Fleisch gemischt vom Bär, Elch und Keiler, in Form von Hacksteaks. Dazu jede Menge Wodka und es zeigt mir, dass ich angekommen bin, denn all das gehört dazu zum Leben hier in dieser urtypisch unendlichen Weite Russlands, mit all seinen jagdlichen Herausforderungen.

Bereits um 8:30 Uhr müssen wir Antreten am nächsten Morgen. Filzstiefel für ein paar Euro versetzen mich in Erstaunen, diese etwa einen Zentimeter dicken Socken zu Stiefeln erstarrt, sollen Sergey und mich bei diesen eisigen Temperaturen warm halten?

Unter 20 Grad minus zeigt das Thermometer heute Morgen und ich bekomme auch noch einen weißen, nach Stall riechenden Schneetarnanzug zugeteilt, der mich wir eine Zwangsjacke in meiner gewohnten Bewegungsfreiheit behindert.

 
 
 
 
 
 


Und los geht’s, 'Aufgesessen' hinter dem Chef Wladimir, auf einem fast neuen Scandi Bombardier-Motorschlitten nehme ich Platz und fasse es nicht: Auf einem Bob ähnlichen Anhänger müssen zwei Jäger Platz nehmen, nein, sich hineinzwängen und kuscheln, damit sie nicht bei der kleinsten Kurve herausfliegen und im etwa 1,20 Meter tiefen Schnee versinken!

Hinter uns fährt der Jäger Sergej noch mal so ein Gespann, aber mit einem wesentlich älteren Bombardier-Motorschlitten und auch da sitzen zwei Berufsjäger auf dem Anhänger und wickeln sich zum Schutz vor dem aufwirbelnden Pulverschnee mit einer großen Plastikplane bis über beide Ohren ein! Das kann ja heiter werden!

Große Möglichkeiten mich festzuhalten gibt’s hier nicht, ich will auch dem Jagdchef nicht zu nahe kommen, deshalb suchen meine Hände Halt hinter mir an einem Gepäckträgergestänge.

Bis zu 70 Stundenkilometer ist der Motorschlitten schnell und Wladimir zeigt, dass er das Teil beherrscht. Wir flitzen durch die weiße Pracht, so dass der Pulverschnee zu einer riesigen Staubwolke aufgewirbelt wird und weithin sichtbar ist. Zweimal verlieren wir unseren Anhänger und Wladimir muss zurückfahren und suchen! Ich glaube, die beiden Jäger Artem und sein Kuschelpartner verfluchen diese Art der Mitfahrgelegenheit. Der Anhänger und seine Insassen sind bereits total Schnee- und Eisverkrustet, so dass es ein scharfes Auge braucht, um sie in dieser mondänen Schneelandschaft von weit hin zu erkennen. Etwa 12 Kilometer müssen wir fahren und Wladimir deutet mir unterwegs ab und an Spuren von Wölfen und Elche, wenn ihre Fährten unseren Weg kreuzen.

 
 
 
 
 
 


Plötzlich taucht vor uns ein mit roten Wimpeln beflaggter Draht oder Schnurr auf, Knie hoch aufgehängt an der Busch Vegetation und schon donnert unser Gefährt darüber. Hinter uns sehe ich, wie er wieder hoch hüpft, ich glaube es ist ein biegsamer Stahldraht und unser Gefährt wird langsamer, wir sind 'Priechali'!

 
 
 
 
 
 


An einem auf drei Seiten übersichtlichen Platz, in diesem eingekreisten Waldstück, bleibt der kleine Konvoi stehen, hier sollen sich angeblich vier Wölfe aufhalten. Gefährtet wurden die schon vor drei Wochen, als immer wieder frische Risse an Elch und Schwarzwild auftauchten. Die hiesigen Berufsjäger haben dann diese vier Wölfe anhand der Spuren im Schnee verfolgt und mit der Lappmethode eingekreist. Immer wieder verkleinerten sie den Bewegungsspielraum des Rudels und nun stecken die vier hier fest, in dem etwa 1,5 Quadratkilometer großen Waldstück, umrandet von Niedrigholz Gewächsen und Büschen, oder lichte, von der Natur ausgedünnte Waldwiesen. Zumindest kommt es mir so vor, denn hier liegt momentan eine dicke Schneedecke von bis zu 1,20 Meter und da schauen nur mehr die Spitzen der buschartigen Naturverjüngung aus der Schneedecke.

Alle 5 Berufsjäger von Wladimir sind mit hier herausgefahren, um auf ihren skiartigen Brettern die Wölfe in unsere Richtung aus dem Wald zu drücken. Als ich mit meinen Filzstiefeln in die Halterung der Jägerski schlüpfe um mal zu testen, wie man da vorwärts kommt, merke ich, wie unbeholfen ich damit umgehen kann.

 
 
 
 
 
 


Wladimir gibt jetzt Anweisungen an seine Jäger, die machen sich fertig, um entlang der Lappleine oder Draht in einer Treiberlinie das eingezäunte Waldstück zu durchkämmen und uns/mir das vermeintliche Wolfsrudel zu zutreiben. Eine explosive, jagdliche Hochspannung liegt in der Luft, die Gemüter aller Beteiligten sind sichtlich aufgeregt und voller Adrenalin.

Ich stecke meine doppelläufige Schrotflinte zusammen, eine Jch 27 Baikal, russischer Standart. Den Umgang damit habe ich schon bei meinem letzten Jagdaufenthalt im Herbst letzten Jahres hier gelernt. Wladimir gibt mir eine Handvoll Schrotflintenmunition und beim genaueren hinsehen ist es die schon öfter angekündigte und auf Wolfjagd übliche, für mich bereits legendäre Kartech Postenmunition, Kaliber 12/70. Es stecken neun große Kugeln mit einem Durchmesser von 8,5 Millimeter in der Plastikhülse mit dem aufgedruckten Wolfskörper.

 
 
 
 
 
 


Jetzt noch mal heißen Tee schlürfen, dann weist mich Wladimir in mein mögliches Schussfeld ein. Auf drei Seiten könnten da ein Wolf oder die Wölfe versuchen entlang der Lappleine mit einem Sprung zu entwischen. An die Lappleine sind im Abstand von etwa einem halben Meter rote Wimpeln aus Tuch geknotet und signalisieren für das menschliche Auge markant die Grenze des eingezäunten Bereiches. Die Wölfe nehmen die rote Farbe nicht wahr, sie erkennen nur eine Schwarz-Weiß Färbung, die flackernden Stofffetzen verströmen menschlichen Geruch und deshalb trauen die Wölfe sich nicht diese Geruchs- Barriere zu durchbrechen. Zusätzlich sind die Stofffetzen vorher noch mit Kamin-Rauch angeräuchert worden.

 
 
 
 
 
 

 

Wladimir steht mit einer Handy-Kamera hinter mir und will das kommende Spektakel filmen, ich fühle mich irgendwie als Statist, auf jeden Fall beobachtet und das passt mir gar nicht so in den Kram!

Mit einem Funkgerät sind die Treiber mit dem Jagdchef Wladimir in Verbindung und immer wieder kommen aufgeregte russische Gesprächsfetzen an mein Ohr, was ich als gutes Omen für Wolfskontakt werte.

Sergey, mein deutscher Begleiter übersetzt an und wann, er ist auch mit einer Schrotflinte ausgerüstet und hilft mir bei Problemen.

Dann plötzlich aufgeregtes Getuschel hinter mir und ich sehe ein dunkles spitzes Wolfsgesicht aus dem Wald herüberschauen, gleich gehe ich in Anschlag, noch unschlüssig, denn der Wolf wird von vielen Baumstämmen verdeckt, dann springt der Wolf ab, ich lasse einen Posten hinterher krachen, aber schlecht gezielt, oder einfach zu weit weg und die Bäume sind im Weg. 'Verdammt' das hätte ich bleiben lassen sollen! Ich presse meine auf den Lippen liegenden Flüche wieder hinunter, aber Wladimir lässt sie ungeniert heraus, er ist enttäuscht! Sofort Nachladen und auf Position gehen. Das fängt ja gut an, verdammter Mi.

Dann ein Funkspruch! Ein Wolf hat die Lappleine übersprungen und ist ausgebrochen, ein Jäger hat die Spur gesehen. Sofort aufgesessen und Wladimir düst mit dem Motorschlitten in dessen Richtung. Ich sitze hinten drauf, in Vorhalte meine doppelt geladene Schrotflinte und mein Puls schlägt Purzelbäume.

Auf dem Anhänger liegt Sergey mit einer geladenen Schrotflinte. Plötzlich vor uns versucht ein Schäferhund großer Wolf in den angrenzenden Wald zu entkommen. Etwa 35 Meter hinter dem Wolf bringt Wladimir sein Gefährt zum stehen. Der Wolf ist schon an der Bestandsgrenze, da rechts vor uns und ich muss gegen meine Schieß-Gewohnheit aus dem Sitz heraus rechts hinaufschießen. Die Waffe schwenkt herum um sie gleich zu entsichern, anbacken kann ich sie nicht wegen der Sitzhaltung und wenn ich absteige, würde ich einen Meter im Schnee versinken, dann ist der Wolf weg.

So gut es geht schaue ich über das Balkenkorn, presse den Flintenkolben auf meine Brust und lasse fliegen, der Wolf zeichnet sofort, springt aber weiter in Richtung Bestand. Einen zweiten Posten jage ich noch hinterher und auch Sergey entlädt seine Flinte, kniend auf dem Boden des Anhängers, aber der Wolf ist längst im Wald verschwunden.

Wladimir flucht, weil er als Fahrer nichts filmen konnte und fährt heran an die Spur des Wolfes am Bestandseingang. Der Jäger Andrew ist schon vorher da und geht mit seinen Skiern hinein der Spur hinterher und bleibt nach 25 Metern vor einem Fichtenbaum stehen.

Ich kämpfe mich durch den hohen Schnee bis zu Andrew und sehe, dass sich unser Wolf in ein Loch unter den Fichtenstamm eingeschoben hat, das der Schnee nicht zuwehen konnte, weil die vielen Äste der Fichte den Schnee oben tragen. Er liegt da unten zusammengekrümmt und als der Jäger Sergej mit einem Stecken hinein stochert, sehen wir deutlich, dass der Wolf noch atmet; das ist gefährlich, alle halten sich zurück!

Dann positioniere ich mich mit geladener Waffe eineinhalb Meter vor das Loch und der russische Jäger Sergej stochert abermals hinein und macht zugleich den Eingang und damit das Blickfeld größer. Plötzlich dreht sich der Wolf und sein helles Gesicht taucht aus dem Loch heraus auf, ich weiche etwas zurück und versetze dem Wolf einen Fangschuss in den Oberkörperbereich.

 
 
 
 
 
 

 

Nach einer Weile berge ich den toten Wolf und als ich ihn so in meinen Armen halte, reißt meine Jagdleidenschaft sofort ab und ein ungutes Gefühl macht sich breit.

Als man mir gratuliert und mir so etwas wie 'Weidmannsheil' auf Russisch wünscht, habe ich die Gedanken bei meinem ehemaligen Schäferhund Sascha, denn ich 'sprichwörtlich' tot von der Straße kratzen musste, ein Auto hatte ihn beim Katzenjagen überrollt. Der Wolf hier fühlt sich genau so an und riecht auch so!

Aber gleich bin ich abgelenkt, gemeinsam fahren wir etwas außerhalb des abgesteckten Lappgebiets, schlagen Holz und machen Feuer. Mitgebrachte Bratwürste, Brot und Wodka lassen eine gute Stimmung aufkommen, Wladimir dreht mit der Kamera seine Runden und spricht das Szenario in das Kamera-Aufnahmeband. Ich höre, dass er einen Dokumentarfilm drehen will und er inszeniert ein Frage- und Antwortspiel mit mir, dem Jäger über das 'Warum und Weshalb' dieser Wolfsjagd hier in seinem Jagdgebiet.

 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 

 

Dann kommt der zweite Anlauf an diesem sonnigen und kalten 29. Januar - mein Geburtstag und ich bin auf ein weiteres Jagd-Abenteuer schon sehr gespannt!

Alle nehmen ihre Plätze ein, die Jäger schwärmen aus und versuchen das verbleibende Wolfsrudel aus dem Wald zu drücken. Wladimir, Sergey und ich stehen in Position auf der Drei-Seiten-Gelände- Übersicht. Dann geht es ganz schnell. Von weit höre ich die Treiber anrücken und Adrenalin versetzt mein Bewusstsein in höchste Alarmbereitschaft! Die Schrotflinte im Anschlag beobachte ich das Terrain. Plötzlich ein bewegter Schatten auf 40 Meter an der Bestandsgrenze, an einem Birkenbäumchen rieselt eine kleinen Staubwolke Schnee vom Geäst und jetzt steht er da, schwupp, in Anschlag und im Donner des losgelassenen Postengeschosses macht der Wolf noch einen Satz nach vorne.

Sergey lässt gleich noch zwei Geschoss- garben hinterher fliegen. Aber da ist er schon tot, meine Ladung hat ihn voll auf Breitseite erwischt.

Der Jäger Sergej kommt auf Skiern hinzu und zieht den toten Wolf aus dem Bestand.Ein paar Schluck Wodka und kräftiges Händeschütteln aller Beteiligten sind dann für unseren Kameramann und Regisseur ein gefundenes Fressen. Wir fahren den zweiten toten Wolf zur Feuerstelle und positionieren die beiden zurecht für ein paar Fotos mit meiner Kamera.

 
 
 
 
 
 


Mit Plane zugedeckt bleiben dann die Wölfe hier in ihrem Habitat zurück, denn andere Räuber trauen sich nicht an diese Beute heran, sagt Wladimir, der gefürchtete Wolfsgeruch hält sie davon ab. Außer Raben, aber dafür haben wir die beiden Wölfe zugedeckt und damit ihre Körper nicht verhitzen, schieben wir abgeschlagene Baumstämme unter die toten Kadaver, damit sie gut auslüften können.

Die Sonne zeigt sich schon weit im Westen, jetzt geht es zurück zur Jagdhütte. 'Aufgesessen': Die Prozedur vom Herfahren wiederholt sich, zweimal verlieren wir unseren Anhänger und suchen in der Fahrspur unsere Mitfahrer. Die verfrorenen Gesichter der zwei Jäger auf dem Anhänger widerspiegeln den Missmut zum Fahrverhalten ihres Jagdchefs und ich kann das sehr gut nachempfinden. Es ist nicht angenehm irgendwo vom Anhänger in den Schnee gekippt zu werden, um dann mit dem grinsenden Gesicht des Verursachers abgeholt zu werden, der erneut seinen pubertierenden Fahrgelüsten freien Lauf lässt.

Aber heute an meinem Geburtstag - 'Schwamm drüber' - ich lade alle Beteiligten zum Abendessen ein, da meint Sergey abends um 19:00 Uhr würde es für mich noch eine Überraschung geben!

Bis 19:00 Uhr ist es nicht mehr weit und ich ruhe mich ein wenig aus in meinem doch sehr gemütlichem Einzelzimmer hier in der großen Jagdhütte! Dann holt mich Sergey, der nebenan Quartier bezogen hat, ab und gemeinsam folgen wir dem Flur und der Treppe nach unten und treten ein in den reichlich mit Trophäen bestückten Jagdsalon, da geht plötzlich das große Licht an und mich trifft fast der Schlag: In Reihe stehen da über ein dutzend Menschen und fangen an zu singen - wahrscheinlich ein russisches Geburtstagslied! Eine hübsche Frau in russischen Folklore-Klamotten kommt auf mich zu und hält eine Begrüßungs- Ansprache. Sergey übersetzt mir die Zeremonie. Ich schäme mich ein bisschen, denn alle sind mächtig herausgeputzt und ich stehe da mit meinem ältesten abgetragenen Shirt und alter Jeans. Die Dame geleite mich zu Tisch und es gibt reichlich zu Essen, aber vorher erst mal ein 'Nastrovje' nach dem anderen. Wodka fließt in Strömen.

 
 
 
 
 
 


Auch ein Sängerpaar in Udmurtischer Tracht ist da, und die beiden singen uns ihre Lieder - fröhliche, schwermütige, immer sehr ausdrucksstark und: 'Mann, wenn ich die beiden mit ihren russischen Texten bloß verstehen könnte'.

 
 
 
 
 
 


Wladimir hält eine löbliche Rede auf mich, Sergey übersetzt wieder mal und läuft zur Höchstform auf, als auch noch Michael (mein Kunde) und fast alle am Tisch verbal über mich herfallen! Artig bedanke ich mich bei allen und merke, dass sie mich ernst nehmen. Ich fühle mich als Teil dieser Gesellschaft hier und freue mich, dass sich diese unerwartete Geburtstagsfeier tief in meinem Herzen eingräbt. Wladimir schenk mir dann so 'mir nichts dir nichts' einen präparierten Auerhahn und ich kann es kaum fassen. Dieser strenge russische Vollprofi Berufsjäger, dem man kaum etwas Recht machen kann, hat kameradschaftliche, ja richtig freundschaftliche Züge und das Herz am rechten Fleck.

Jetzt geht’s rund, es wird getanzt, gegessen, gesungen, eine riesige Geburtstagtorte wird aufgetragen und so langsam verliert jeder, mich eingeschlossen, die Scheu und lässt 'die Sau raus' oder vornehm gesagt, lässt sich tragen von der fröhlichen Gesellschaft bis weit hinein in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages.

 
 
 
 
 
 


An diesem fahren wir erst gegen Mittag hinaus, (Gott sei Dank) zu den noch verbleibenden zwei Wölfen, die feststecken sollten in dem von menschlichen Zivilisation- Gerüchen eingekreisten Waldstück.

Draußen angekommen, schauen wir erstmal nach den beiden toten Wolfsrüden, die mittlerweile steif gefroren und verborgen unter der Plane ausharren müssen.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass die beiden letzten lebenden Wölfe noch da sind, und Wladimir schickt seine Kundschafter aus um am Rande der Lappleine nach Spuren von eventuellen Übertritten der Wölfe zu suchen. Als sie entlang der Einzäunung am anderen Ende stehen, melden sie per Funk, dass keine Wolfsspuren nach außen zu finden waren, also müssen die beiden noch da sein und schon fängt das Treiben wieder an.

Wladimir, Sergey und ich stehen auf Position, ab und an rauscht das Funkgerät und wieder liegt diese eigenartige jagdliche Hochspannung in der Luft, zu sehen in den aufgeregten Gesichtern aller Beteiligten.

Dann eine heisere Stimme aus dem Funkgerät: Eine Spur führt nach draußen, schnell, ein Wolf ist über die Lappleine gesprungen!

Wladimir und ich kämpfen uns zum Motorschlitten und schon düsen wir hinüber, entlang der Lappleine und suchen nach der Austrittspur des Wolfes. Nach etwa 10 Minuten Fahrzeit entdecke ich weit weg der Lappleine einen Wolfskopf aus dem hohen Schnee herausragen und sogleich stoße ich Wladimir an, um ihm mit meinem ausgestrecktem Arm die Richtung zu weisen. Da entdeckt auch er den Ausreißer und mit einer viel zu scharfen Linkskurve landen wir beide kopfüber im hohen Schnee. Ich schaffe es noch meine Flinte oben zu halten und beide kämpfen wir uns aus dem Schnee und versuchen unseren Motorschlitten wieder aufzustellen.

Geschafft, und die Kiste läuft auch wieder, mittlerweile ist der Wolf schon weit weg und ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Wladimir sieht aus wie ein Schneemann und versucht nun dem Wolf den Weg zum rettenden Wald abzuschneiden.

Der Wolf läuft etwa 40 Meter vor uns und Wladimir bleibt kurz stehen, Gelegenheit für mich ihm eine Salve auf den Pelz zu brennen, was auch gelingt, Fellbüschel verstieben im Wind, aber unser Wolf ist nicht zu bremsen, weiter verfolgen wir den Isegrim.

Plötzlich, nach zwei weiteren Sätzen verlässt den Wolf die Kraft, Wladimir fährt auf 20 Meter heran und mit einem gezielten Schuss aus meiner Flinte findet seine Flucht ein Ende in dieser hohen, auch für Wölfe kaum zu überwindenden Schneedecke.

 
 
 
 
 
 


Ich berge den toten Wolf und ziehe ihn zum Motorschlitten, es ist wieder ein Rüde und mit Abstand der größte und schönste aller meiner Wolfsbegegnungen hier, wahrscheinlich das Alphatier in diesem kleinen Rudel.

Das muss anschließend ausgiebig gefeiert werden und als wir zurück sind und die Beute zeigen, beginnt das übliche Ritual mit all seinen Traditionen. Nach dem Anzünden von Holz an unserer Feuerstelle, präsentieren wir den Alphawolf für ein Fotoshooting zu den anderen beiden und ich merke, dass auch Wladimir hoch zufrieden und stolz ist über den glücklichen und spektakulären Ablauf dieses Jagdtages.

Satt und voll noch von gestern treten wir die Heimreise an, Wladimir fährt sehr zivilisiert zurück zum Jagdhof, unsere Beifahrer auf dem Anhänger danken es ihm, denn heute haben wir sie nicht ein einziges Mal verloren.

Ein Wolf ist noch draußen! Lebend! Wladimir will sie alle und teilt auf Morgen sein Team erneut ein. Ich verkrieche mich erst mal in der Sauna und gehe nach dem Abendessen sofort ins Bett. Ich bin platt von der Kälte, dem Wodka und der Aufregung der letzen Tage!

Von Tag zu Tag wird es kälter, heute zeigt das Thermometer weit unter 20 Grad unter Null und wieder geht’s raus, ein Wolf wartet noch!

 
 
 
 
 
 


Die Prozedur ist die gleiche. Angekommen verteilen sich die Jäger in zwei Gruppen und marschieren auf ihren Skiern die Lappleine entlang und melden, dass der letzte Wolf nicht ausgebrochen ist, es muss der Wolf sein, den ich bei meinem ersten Versuch gefehlt habe, der mit der dunklen Schnauze.

Ich postiere mich an der Stelle, wo die Übersicht am besten und der Schnee weitgehendst festgetreten ist, heute zieht kalter, gnadenloser Wind herauf und mich friert`s.

 
 
 
 
 
 


Die Ruhe vor dem Sturm wird jäh unterbrochen, als ein junger Jäger meldet, dass vor ihm ein Wolf die Lappleine übersprungen hat. Flugs klettert der Junge auf einen Baum, er hat keine Waffe dabei, das erfahren wir erst, als alles vorbei ist.

Wladimir lässt den Motor des Schlittens aufheulen und wir preschen los. Als wir den Wolf gerade noch vor dem Einwechseln in eine Fichtendickung einholen, meint Wladimir ich soll mit dem Schießen warten, bis er seine Kamera Filmbereit hat.

Verdammt, der Motorschlitten steht und der Wolf springt vielleicht 30 Meter vor uns in hohen Sätzen aber parallel zum Schlitten auf den Bestand zu, ich soll noch warten und muss wieder sitzend nach rechts schießen. Das liegt mir nicht und als Wladimir mit seiner Kamera einsatzfähig ist und das 'OK' zu Schießen gibt, schaut nur mehr der Kopf des Wolfes aus dem Schnee. Den Gewehrkolben an die Brust gedrückt, flüchtig über Lauf und Balkenkorn den Kopf anvisiert, lasse ich einen Posten raus und sehe, wie der Wolf den Kopf einzieht, wohl nur vor Schreck, denn ein Treffer war das nicht. Mit der Kamera in der Hand fährt Wladimir weiter, umrundet den Wolf und steht nun etwa auf gleicher Entfernung wie vorher auf der anderen Seite des Objekts. Nun geht es schnell und problemlos, kaum stehen wir, entsichert und angebackt, zischen die neun Kugeln hinaus und strecken mit mehreren Treffern den Wolf in den Schnee, deutlich sehen wir, dass ein oder zwei Kugeln der Schotgarbe darüber in der Schneedecke gelandet sind und genau zwei darunter. Ein perfekter Schuss, der mich sehr stolz macht, Wladimir freut sich und übermütig hüpft er im Schnee herum mit seiner Kamera. Wieder berge ich den toten Wolf, nein, diesmal war es eine Fähe und sie hat das dunkle Gesicht. Sie ist es, die ich mit meinem ersten Schuss auf Wölfe gefehlt habe.

Nun ist sie wohl zu Ende für mich, die Wolfsjagd hier und heute im großen Udmurtischen Wald. Wladimir meint das kleine Rudel ist vom Süden, vom großen Perm Naturschutzgebiet (das so groß ist wie ganz Niederbayern) eingefallen und er muss sein Wild schützen.

Die Population an Elch und Schwarzwild leidet hart unter den marodierenden Wölfen, vor allem in dieser Jahreszeit mit dieser hohen Schneedecke, in der die Flucht der Beutetiere fast aussichtslos ist.

Wir positionieren die Wolfsfähe zu den anderen drei Rüden und hören uns die Geschichte des jungen Jägers an, dem die Wölfin direkt vor die Füße gelaufen ist, als er sich mit seinen Skiern durch den Wald gekämpft hat.

 
 
 
 
 
 


Nun wird noch mal alles aufgefahren, was für ein Jäger- Picknick in der Wildnis notwendig ist. Es gibt zu meiner Überraschung Russische Tortellinis, (bestehend aus Keiler- und Elchfleisch) vorgekocht von unserer Köchin, die werden jetzt in einem Kessel über dem Feuer nochmals aufgekocht und schmecken 'perfekt'! Es folgen immer wieder Trinksprüche, denn auch die mitgebrachten Wodkaflaschen müssen leer getrunken werden. 'Auf unseren Jagderfolg', 'Nastrovje'.

 
 
 
 
 
 


Dann ein letztes gemeinsames Fotoshooting mit den vier erlegten Wölfen und nun wird abgeräumt, die Jäger schwärmen aus und rollen die Lappleine auf die selbstgebauten Holztrommeln.

Ich erweise meinen erlegten Wölfen die letzte Ehre und setze mich zu ihnen auf den Anhänger, auf den ich sie allesamt gepackt habe. Wir treten die Heimreise an. Meine Freunde Michael und Andrew kommen aus der Jagdhütte, als wir auf das Gelände des Jagdhofes einfahren und freuen sich mit uns. Ich weiß natürlich, ohne die notwendige Vorarbeit von Wladimir und seinen Jägern, hätte es diesen Jagderfolg niemals gegeben.

 
 
 
 
 
 


Die nächsten Tage fahre ich mit Sergej hinaus auf Spurensuche, er ist der beste Jäger und Spurenscout, den ich kenne und es ist einfach ein Abenteuer ohnegleichen, in der winterlichen Landschaft mit dem Motorschlitten den vielfältigen Aufgaben einer Revierkontrollfahrt nach zu kommen.

So bleibt mit nur noch, mich bei allen zu bedanken, für das überraschende und tolle Geburtstagsfest, das viele gute Essen, und und und...