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Monsterkeiler


13:00 Uhr Ortszeit, ich bin mit meinem Hund unterwegs als Hagen mich anruft und meint im Revier suchen unsere Revierpächter kurzfristig Jäger und Treiber für eine Drückjagd mit Hunden. Es ist kurz vor knapp, den in 20 Minuten bin ich zum Essen eingeladen, bei Anke und Hagen; es gibt Wildschweinbraten von Hagen eigenhändig geschossen. Anke kocht zu lecker, da muss ich erstmal hin. Und es hat sich wieder mal sehr gelohnt, danke Anke; dann schnell heim gepackt und schon stehe ich auf der Wiese unseres Treffpunkts umgeben von vielen Jägern und rot Gewandeten Treibern samt den Hunden.

Ich werde kurzerhand vom Revierchef eingeteilt, habe keine Ahnung wo er mich hinsetzt und finde mich wieder im Auto eines Reviernachbarn der heute für das Spektakel auch Zeit hat. Ich habe noch Andreas Worte im Ohr was alles geschossen werden darf, eigentlich alles was momentan gesetzlich frei gegeben ist.

So sitze ich auf der mir zugewiesenen Kanzel, von 9:00 Uhr bis 3:00 Uhr alles Wiese, ein Riesen Schussfeld tut sich da auf und mir wird Angst und bange wenn ich sehe wo ich da sogleich überall aufpassen muss, den ich höre aus 3:00 Uhr schon die Treiber anrücken. Schnell stelle ich das Zielfernrohr auf eine halbwegs erreichbare Schuss-Entfernung. Mit dem Entfernungsmesser meines Fernglases suche ich dafür Grenzmarkierungen, die ich mir flüchtig einpräge.

Die Treiber kommen schnell näher, auch eine weibliche Stimme ist dabei, da springen auch schon 4-5 Rehe aus den Dickungen und überqueren die vor mir liegende Wiese. Einen Bock mittendrin, hochflüchtig, er springt den Geißen hinterdrein. Über der offenen Fläche verhofft keines der weiblichen Stücke und so habe ich keine Chance auf einen sicheren Schuss. Mittlerweile sind auch die Hunde sehr aktiv, hinter mir im Wald lautstark mit den Treibern ziehen sie vorbei den Abhang hinunter und auf der anderen Seite wieder hoch.

Heyyy, Hohh und Stockschlagend, kaum kann ich alles mit meinen Blicken einfangen, schreit plötzlich Andreas Stimme "eine Sau!" Mein Puls fliegt, hinter mir im Wald jagen meine Augen einem braunen schwarzen Bündel hinterher. Runter vom gegenüber liegendem Hang kommt da etwas den Abhang herauf, immer wieder sehe ich die dunkle Schwarte durch die kniehohe und höhere Vegetation huschen. Ich habe das dunkle etwas im Visier, drücke ab, der Schuss ist verhallt und ich sehe im Absehen spritzt etwas hoch. Aber das Objekt der Aktion rennt jetzt plötzlich noch schneller den Abhang hinauf.

Ein Gedanke schießt, "wenigstens jetzt durch meinen Kopf", viel zu nahe für die Visiereinstellung, Depp, du hast es verpatzt. Andreas sucht schon nach Spuren, schreit herauf: "Warst du drauf, hattest du ihn im Absehen, es war ein Riesen Keiler" ich eher kleinlaut, ich glaube schon, bin mir nicht sicher. Keine Schweißspur am Anschußort, mir ist klar kann nicht passen, ich habe darüber geschossen Fehler gemacht, die Jagdkollegen quittieren das ganze mit entsprechenden Jägermacho- Gehabe, Lebenskeiler vergeigt, den Schuss verzittert und andere Sprüche. Ich verkneife mir eine entsprechende Zurückweisung: Hey ihr Nasen, habt ihr noch nie daneben geschossen?

Selbst Schuld sage ich mir und etwas verbittert schlage ich das Versöhnungsangebot von Wolfgang aus, bei ihm zuhause im Tal noch mit allen zusammen etwas zu trinken.

Viel lieber bin ich jetzt alleine, frage Andreas wo ich noch ansitzen könnte und der hat eine Idee, er kennt einfach sein Revier.

"Schweineställchen", eine Sau- Kirrungskanzel mitten im Wald. Da ist der Kirrplatz mit weißgrauen Kalksteinen geschottert, wenn da noch etwas Mondlicht darauffällt, sind die Silhouetten möglicher Jagddeliquenten gut auszumachen. Ich sitze, einige SMS fliegen zwischen meinem Jagdchef und mir hin und her. Das traditionelle Sonntagabendessen mit meinen Jungs sage ich kurzerhand auch noch ab und verkrieche mich in der zunehmenden Dunkelheit. Kein Laut nichts tut sich! Endlich Ruhe, gedanklich philosophiere ich schon eine Weile über die Jagd, stelle meine Erwartungen auch den heute erlebten Realitäten gegenüber, irgendwo knackt da irgendwas.

Ach nein, wieder Ruhe, da knackt es wieder und auch noch näher. Ich beuge mich vor und nehme den Kirrplatz in Augenschein, höre Holz brechen, links auf 10:00 Uhr schält sich was Dunkles aus dem Wald, überquert den Wildacker und weg ist es, es könnte eine Sau gewesen sein. Vorsichtshalber hole ich meinen Stutzen herauf und bringe ihn in Schotterplatzrichtung zum Anschlag. Die Vergrößerung habe ich gleich bei meiner Ankunft auf das eineinhalbfache heruntergedreht und scharf gestellt, ein Fehlschuss sollte mir hier nicht mehr passieren.

Gespannt sitze ich da, schalte gleich mal die Absehensbeleuchtung ein. Mein verpatzter Keiler fällt mir wieder ein, insgeheim wünschte ich mir ihm noch mal zu begegnen. Adrenalin steigt bis in die letzten Harrspitzen als das knacken wieder zu hören ist.

Da steht was an der Kirrung, ich erkenne die Silhouette einer einzelnen Sau einer großen, die von vorhin wahrscheinlich, eine zweite sehe ich nicht. Ich fahre mit dem roten Absehenspunkt in die Mitte des Körpers und denke noch diesmal machst du alles richtig, der Leuchtpunkt muss etwas weiter in die vordere Hälfte der Körpermitte und schon lasse ich die Kugel fliegen.

Die Sau empfängt das Geschoss mit einem Satz nach vorne und bricht ein in den Bestand dass es nur so knackt und kracht.

Es dauert etwa 2 Minuten dann ist alles wieder still. Etwas verdattert stehe ich auf der Kanzel, ordne meine Sinne und fange an meinen Rucksack zu packen. Unten am Kirrplatz suche ich vergebens nach Spuren, kein Schweiß, ich sehe nichts. Den Anschuss nicht verändern kommt mir in den Kopf und ich rufe Andreas meinen Revierchef zur Nachsuche. Der sagt: "komm erst mal runter zum Wolfgang da sitzen wir alle und später schauen wir nach der Sau". Das geht ja gut weiter, ok, ich will wissen was hier los ist, um den Anschuss nicht zu gefährden hole ich meinen Smith und Wesson aus der Tasche und suche selber in der Nähe und in Fluchtrichtung der Sau nach Schweiß, da, hellrote Schweißspuren am Stamm einer Buche, aber weit oben etwa 60 oder 70 Zentimeter. Ich bin froh wenigstes einen Trefferbeweis mit zubringen.

Unten im Tal sinnieren die beiden Revierinhaber über aktuelle Probleme ihrer Wild- Wirtschafterei. Hagen ist auch noch da, der Nachwuchsstar unseres Reviers und ich bin froh den er ist auch mein Freund. Nach einer oder zwei Tassen Kaffee, fahren wir zu viert mit den Hunden hoch ins Revier zur Kanzel und zum vermeintlichen Anschuss auf der Saukirrung.

Andreas fragt sogleich, "wo ist sie gestanden, die Sau" ungefähr weiß ich es und ich staune nicht schlecht da hat er plötzlich abgeschossene Borsten in der Hand, findet den Kugelriss und einen Tropfen Schweiß in der Schuss- Richtung. Auch die Eingriffe der Schalen in Fluchtrichtung sind deutlich zu erkennen.

Ich muss zweimal hinsehen bis ich begreife, alles logisch, eins kommt nach dem anderen. Andreas und Wolfgang holen die Hunde und es geht rein in den Bestand vielleicht 30 Meter da liegt sie, nein er der tote Keiler und sauber erwischt ein Kammertreffer wie ich sehe, ich bin froh und es fällt mir ein Stein von Herzen.

Der Keiler ist riesig, und stinkt gewaltig, er muss kurz vorher irgendwo gesuhlt haben. Andreas fällt ein ihn in einer nahen Quelle zu baden. Wie bringt man so ein schweres Tier aus dem Wald um ihn auf ein Fahrzeug zu laden, Hagen und ich bilden ein Gespann, wie zwei Ochsen mit Seilen zerren wir das Tier bergauf in Richtung Kirrplatz, Andreas und Wolfgang helfen fleißig mit. Das letzte Stück hilft der Geländewagen von Wolfgang und wir ziehen den Keiler aus dem Bestand und schaffen ihn zu viert auf Hagens Pickup.


Es scheint dass der Keiler immer größer wird und langsam ist mir klar, das ist der den ich heute auf der Drückjagd nicht getroffen habe. Andreas hat den Fluchweg des Keiler´s irgendwie geahnt und mich richtig platziert. Ein Riesentier, ich nenne ihn Monsterkeiler.

Andreas bricht ihn auf und als erfahrener Berufsjäger staunt auch er über die Größe der Organe und freut sich mit uns zusammen über den glücklichen Ausgang dieses Jagdtages, später erfahre ich noch das der Keiler 138 Kilo Lebendgewicht hatte.


Mein herzlicher Dank geht an die helfenden Jagdkollegen, wenn´s drauf ankommt absolut zuverlässig und Weidmanns heil allen Jägern auch wenn das Jagdglück nicht jedes Mal und jeden Tag gerecht verteilt ist.

Wiesensteig, im November des Jahres 2008


Keilerglück


Nachdem die beiden Auditoren, die zum „finalen Countdown“ unserer betrieblichen Zertifizierungsabnahme für IFS eingetroffen sind und ich sie begrüßt habe, denke ich mir schon früh am Morgen: „Was mache ich, wenn dieser Stress vom heutigen Tage vorbei ist?“ Ich will raus auf den Sau-Ansitz - Und so schicke ich gleich nach der Begrüßung, schon um 8 Uhr morgens, heute, am Mittwoch den 13. Oktober 2010, meinem Revierchef eine Mail mit der Frage auf einen Ansitzplatz für heute Abend. „Setz dich ans Schweineställchen“ kommt die Antwort bereits um 9:56 Uhr per Email zurück, kurz und knapp. Ich wundere mich, denn so kurz angebunden ist Andreas selten, da muss er sich schon ganz sicher sein, denn irgendeine Erklärung für seine Einteilung hat er eigentlich immer?

Auch mich versuchen die Auditoren heute mal wieder auf den Kopf zu stellen und Fragen Dinge wie: „Herr Holzinger, wie messen Sie die Zufriedenheit Ihres Managements und die Ihrer Mitarbeiter - Und mit welchen Kennzahlen arbeiten Sie für deren kontinuierlichen Verbesserungsprozess?“ Nun erkläre ich den etwas englisch aussehenden „Gentlemen“, wie die Praxis aussieht, wobei Wunschvorstellung und Tatsachen sich bei meinem Abschluss-Plädoyer in etwa die Waage halten!

Diese und viele anderen Prüfungsdialoge gehen mir noch mal durch den Kopf, als ich längst draußen sitze auf meiner absoluten Lieblingskanzel, hier am Schweineställchen. Da steht nämlich eine rustikale und von der Größe her sehr annehmliche Kanzel und etliche Sauen, meistens Keiler, habe ich hier gestreckt. Es ist wohl auch die älteste Sau-Kirrung hier in unserem Revier. Denn ein eingegrabenes Tonrohr als Vorratstrog dient, so glaube ich, seit etlichen Jahren als Leckertisch für unser/mein liebstes Revier-Standwild, den Sauen.

Immer wieder dreht sich der mittlerweile etwas böige Wind und meine größte Befürchtung, dass er meinen Geruch hinunterträgt, direkt zur Kirrung, da hin, wo auch meistens die Sauen aus dem Bestand heraus anrücken. Ich ducke mich zusammen und mache mich klein, krümme mich fast schon unter die Brüstung der Schießscharten auf der Kanzel und spiele auf meinem Handy „Bubble Braker“. Immer wenn ich wo auf Warteposition bin und es passt, spiele ich irgendwas auf meinem Handy. Jetzt und hier habe ich meine Ohren scharf gestellt und spielend warte ich, was sich tut!

Im Säuseln des böigen Windes vernehme ich rechts von mir ein Knacken, da zieht aber leider auch der Wind hin. Noch mehr ducke ich mich und lasse den Wind nicht ran an mich. Meine Augen können gerade so über die Brüstung schauen; ich inspiziere die Kirrung und den Fahrweg, der hierher zur Kanzel führt. Immer und immer wieder ist das Knacken zu hören, es muss noch weiter weg sein. Die Minuten vergehen, es ist längst nicht mehr hell, der Mond ist abnehmend und die Sicht schon sehr schlecht, jetzt, so kurz vor halb elf.

Die anrückenden Sauen haben noch keinen Wind von mir. Da, schon wieder typische Anwechselgeräusche: Holz bricht, aber nichts ist an der Kirrung - Kam das Brechen von rechts? Oder doch von weiter unten? Plötzlich schepperts an der Kirrung, der Stein auf dem Deckel ist heruntergepoltert. Vorsichtig erhebe ich mich - und da sehe ich sie. Herauf äugt eine große, wohl einzeln ziehende Sau! Und ich hinunter, ich glaube sie weiß, dass da oben ihr Feind sitzt oder sitzen könnte. Sie lässt mich, oder das was sie gerade noch von mir wahrnehmen kann, nicht aus den Augen.

Langsam und zögerlich ziehe ich meinen Repetierer herauf, spanne ihn gleich und warte, bis die Sau da unten irgendwas tut, was meine Situation verbessert. Sie steht spitz da und äugt herauf; Sekunden vergehen und, ich glaube es fast nicht, sie dreht sich etwas, ich riskiere einfach, dass sie mich bemerkt und gehe in Anschlag. „Bumm“, und das .30-06 Geschoss donnert seinem Ziel entgegen.

Ob sie zeichnet, sehe ich nicht mehr. Auf jeden Fall ist minutenlang ein grobes, lautes Gepolter zu hören, hinunter in den Bestand. Viel zu lange denke ich mir, das gibt’s doch nicht, ich hatte sie doch absolut im Absehen.

Voller Spannung packe ich mein Zeugs und baume ab, erstmal gleich zum Anschuss. Es ist dunkel, ich konzentriere mich – „Wo hat sie gestanden?“ – „Wo ist der Kugelriss?“ – „Wo sind abgeschossene Borsten und die Schalenabdrücke?“ - Hols der Teufel, ich finde nichts, keinen Schweiß. Verdammter Anfänger, warum passiert mir das, es muss doch Spuren geben. Eine geschlagene Dreiviertel-Stunde suche ich herum, umsonst.

Dann hole ich Moni, meine deutsche Drahthaar-Hündin vom Auto und, Stummelschwanz wedelnd, folgt sie mir auf Fuß zum vermeintlichen Anschuss auf der Sau-Kirrung. Sie sucht nicht lange herum und zieht an der langen Leine, hinunter in den Bestand. Kreuz und Quer geht’s, dann wieder ein paar Meter weiter nach unten. Nach vielleicht 5 Minuten verharrt sie an einem kleinen am Boden liegenden Hölzchen, ich komme dazu und sehe ein verschweißtes kleines Buchenästchen mit dunkelrot getränkten Schweiß.

Gott sei dank, wir sind auf Spur und jetzt schon etwa 30 Meter unterhalb der Kirrung. Dann drängt Moni wieder hinauf, ich versuche sie abzurufen; kann doch wohl nicht sein, dass die Sau wieder hinaufgewechselt ist? Irgendwas hat meine Moni verleitet, noch einmal zum Anschuss zurückzukehren. Oben setze ich sie nochmal an und sie folgt ihrer eigenen Fährte wieder nach unten, ich breche Zweige umherstehender Bäume, natürlich achte ich drauf, keine Terminaltriebe abzubrechen. Ich muss wieder hierher finden, jetzt ist es kurz vor Mitternacht und stockdunkel. Meine Taschenlampe hat keinen Strom mehr, heute kommt auch wieder alles zusammen. Die Batterien reichen einfach nicht für ein so langes Herumirren in der Dunkelheit, nur meine Stirnlampe leuchtet noch.

Plötzlich traue ich meinen Augen nicht: Moni steht etwa 60 Meter unter der Kirrung an einer großen Buche und ich schaue auf einen gewaltigen hellroten Schweisspritzer auf dem Stamm - in fast einem Meter Höhe. Da durchzuckt es meinen Körper: Habe ich das nicht schon mal erlebt, genau hier vor etwa zwei Jahren, einen Riesen-Keiler hat’s damals erwischt. Vorsichtig nehme ich meine Moni kürzer an die Leine und ein paar Schritte hintereinander suchen wir weiter. In der rechten Hand liegt mein R93 ohne Zielfernrohr. Der schwache Schein meiner Stirnlampe sucht herum. Emsig ist Moni auf Spur, dann geht es hinein ihn eine kleine Fichtendickung, ich lasse die Leine länger und folge ihr vorsichtig, aber noch weiter unten geht’s wieder hinaus aus der unübersichtlichen Dickung.

Da vorne liegt irgendwas Graues unter einer großen Buche, auch Moni hat das Gesehene im Fokus: Zielstrebig zieht sie drauf zu und ich bleibe stehen und spanne meinen Stutzen. Nichts tut sich, ich komme näher, bin schon heran und erschrecke noch mal. Da liegt eine große Sau, ein Keiler und ich sehe keinen Treffer, ist er an einem Herzinfarkt gestorben? Nachdem ich ihn angestoßen habe mit meinen Stiefeln, drehe ich ihn herum und sehe den tödlichen Einschuss, oder ist es womöglich der Ausschuss? Aber klar, auch Schweiß fließt nicht nach oben und auf die Seite, wo der Keiler zum Fallen kam, ist seine Schwarte rot verfärbt, ein guter Treffer gleich hinter dem Blatt ist das Zentrum des Schweißausflusses.

Moni und ich freuen uns sehr und sie rupft andauernd an des Keilers Schwarte herum. Ich fange an zu Grübeln, wie bekomme ich diesen „Bassen“, der sicher mehr als 100 Kilo wiegt, ins Auto? Mir bleibt nicht anderes übrig, als hinunter ins Tal zu fahren und meinen Revierchef Andreas zu mobilisieren. Ich stehe vor seiner Jagdschule und klingle ihn heraus, ans Handy geht er nicht. Da geht die Tür auf und Andreas steht etwas schlaftrunken im Rahmen - und aufgeregt versuche ich, ihm die Situation zu erklären. Überlegung hin, Überlegung her, Andreas ruft einfach seinen Nachbarn Wolfgang an, der hat noch nie nein gesagt. „Gott sei dank“ und „schwupp diwupp“ sitzen wir alle in Andreas‘ Toyota und auf mir nicht unbedingt bekannten Schleichwegen erreichen wir schnell unser Ziel, die Sau-Kirrung an der Schweineställchenkanzel.

Wolfgang lässt seinen Jagdhund "Odin" frei und ich laufe mit ihm hinunter, einfach meinen gelegten Wegweisern nach, den umgeknickten Zweigen und sogleich stehen wir vor dem toten Keiler.

Andreas wartet oben und orientiert sich nach unserem Lichtpegel, er will mit seinem Landcruiser herunterkommen, also schräg den Abhang queren. Ich bin gespannt, wie er das macht. Schon sehe ich seine Rückfahrscheinwerfer herankommen; gnadenlos fordert Andreas wieder mal alles von seiner Geländekiste und seinen Fahrkünsten. Bis auf 10 Zentimeter kommt er heran, an den Bassen und Wolfgang und ich heben ihn hinauf auf den Transportkorb, der einfach an die Anhängerkupplung montiert nur etwa 20 Zentimeter Bodenfreiheit hat und los geht’s runter ins Tal, um die Beute zu versorgen

Aber weit kommen wir nicht, nach 10 Meter rutscht der Toyota an einem mit Moos überwucherten Totholzstamm entlang den Abhang herunter, kritisch nahe an stehende Bäume heran, noch kann Andreas seine Karre halten, aber der Boden ist nass und ein Vorwärtskommen schier unmöglich.

Aber einem Berufsjäger gehen da die Ideen noch lange nicht aus, einfach die eingebaute Seilwinde abgewickelt und schon ziehe ich den Haken rauf entlang der Fahrspur, um das Seil an parallel stehenden Bäumen fest zu machen. Andreas‘ geübtes „Timing“ mit dem Seilwindenmotor und dem Gaspedal ermöglicht ein langsames, aber sicheres Vorwärtskommen, dort hinauf, etwa 150 Meter, wo ich schon schwer befürchtete, den geschossenen Keiler hinauf tragen zu müssen.

Wolfgang steht mitten drin und gibt Kommandos, etwas gefährlich für ihn, aber die Technik, hält was sie verspricht, und in etwa einer Stunde haben wir unser Fahrzeug und unseren Keiler hinaufgewunden, auf den ausgebauten Fahrweg. Zuletzt noch die Kardanwelle von einem großen verkeilten Ast befreit, fahren wir dann runter ins Tal nach Wiesensteig.
 
112 Kilo bringt der Keiler auf die Waage und ich danke noch mal unserem Herrn, dass ich so viel Glück hatte, um schon wieder auf einen solchen Koloss zu treffen. „Danke, danke lieber Gott“ - und danke dem schwäbischen Revier hier in Wiesensteig und seinen Männern, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Mit freundlichem Waidmannsheil von
Karl Holzinger.

Wiesensteig, im Oktober des Jahres 2010.


Drückjagd beim Nachbarn


"Hallo Andreas,

ich bin mir nicht sicher, ob ich morgen an der Treibjagd Offensive des Staatsforsts auf Deiner Revierseite teilnehmen kann. Die Grippe hat mich erwischt! Ich lege mich jetzt hin und habe den Wecker gestellt. Wenn ich morgen Früh etwas fitter aufwache als heute, dann komme ich. Habe ich wieder Schwindelanfälle und gnadenlosen Husten wie heute, sorry, aber es geht nur, wenn es geht, Grüße Karl."

Diese Email schicke ich Andreas, der mich zur Sicherung seiner Wiesensteiger Reviergrenze zum Nachbarforst eingeladen hat, denn da ist morgen Treibjagd angesagt und prompt kommt wie immer die schnelle Antwort.

"OK bin in bester Hoffnung und Dir auf jeden Fall gute Besserung. Melde Dich auf jeden Fall, damit wir nicht unnötig warten und ich hoffe, es klappt!"

Ich lege mich gegen 23:00 Uhr aufs Ohr, vorher habe ich meinen Handywecker auf 6:00 Uhr gestellt, der mich wie immer mit einem irgendwo heruntergeladenen Weckton, mit „Entengeschnatter“, aufwachen lässt! Moni, meine Jagdhündin ist sofort auf den Beinen und sucht emsig und mit ihrer kupierten Rute wedelnd nach der Herkunft dieser mysteriösen Töne, denn ihrem Jagdinstinkt folgend, verbindet sie das sofort mit ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Aufscheuchen von Federvieh bei mir, in einem bayerischen Jagdrevier!

Ich fühle mich heute Morgen besser und schon bin ich am Beladen meines Autos, meine Ausrüstung samt Waffe habe ich vorsichtshalber am Abend gepackt und ich mache mich auf mit meinem ML ins schwäbische Jagdrevier, hinunter nach Wiesensteig, da, wo ich vor Jahren auch die Ausbildung und die Prüfung für meinen Jagdschein abgelegt habe und als Jungjäger meine ersten Erfahrungen sammeln konnte!

Vorbei an der mir bekannten Metzgerei, um noch Proviant in Form von Leberkäswecken einzukaufen und gleich erfahre ich den neuesten, auch jagdlichen „Tratsch“ hier, vom Treiben in der kleinen Stadt, denn der Metzgermeister ist auch Waldbesitzer und spitzbübisch, so wie ich ihn kenne, weiß er immer, wo was los war und los ist!

Als ich dann zum großen Jagd- oder Schulhof einbiege, steht da der mir bekannte Fuhrpark einiger meiner ehemaligen Jagdkollegen und ich freue mich sehr, sie wieder zu sehen! Schnell rufe ich noch meine Sekretärin an, um mich nach Moni, meiner Hündin, zu erkundigen, aber wie gewohnt ist alles in Ordnung und Moni wird derweil in meinem großen Büro und in der Obhut meiner Sekretärin auf mich warten müssen. Dann kommt schon Andreas heraus aus seiner Jagdschule, gibt nach einer sehr freundlichen Begrüßung kurz und knapp seine Ansitz-Einteilung bekannt. Ich muss Andreas hinterherfahren, hinauf ins Grenzgebiet zum Nachbarn, zum jagdlich geführten Forstrevier! Auch Boris, mein ehemaliger und sehr sympathischer Jagdgenosse ist mit an Bord und hat seine jagdlichen Utensilien bereits verstaut.

Der Weg ist mir wohlbekannt, hier am Aufstieg zur schwäbischen Alp. Das Städtchen Wiesensteig ist eingesäumt von tiefen und zum Teil steilen Tälern und Schluchten. So hat diese Bergwelt hier auch etwas „mystisches“, aber es braucht lange, bis die Sonne über die Bergrücken herüber scheint und die Talsohle erreicht. Das ist mir schon in Zeiten meiner Jagd-Ausbildung aufgefallen, frierend bis in die Mittagsstunden hinein saß ich noch Ende April oft draußen auf der Bank vor der Jagdschule, um sehnsüchtig einige wärmende Sonnenstrahlen einzufangen.

Heute, am Freitag den 13. Januar, fällt das Thermometer weit in die Minusgrade, es liegt wie überall kein Schnee und als ich nach dem „grauen Stein“ einbiege, hinauf, in den Grenzweg, der auch noch hinüber zum Forst gehört, steigt auch schon das, was man wohl als Jagdfieber bezeichnet in mir auf. Andreas weist mir meinen Drückjagdstand zu und ich mache mich bereit, ziehe meine warmen russischen Winterhosen und Jacken über und mit Spannung folge ich dem Pirschweg wieder hinunter durch die kleine Fichtendickung, um den etwas maroden Drückjagdsitz zu erreichen! Als ich sitze, packe ich meine Leberkäswecken aus und mit dem heißen Tee aus meiner kleinen Thermoskanne, spüle ich die Reste aus meinem Mundwinkeln hinunter, es kann losgehen!

Vor mir fällt das mit großen Fichten und Buchen bewachsene Gelände stark ab, hinter den knapp sichtdurchlässigen Jungbestand sehe ich den umstrittenen Grenzweg etwa 80-90 Meter entfernt zum Nachbarrevier vor und unter mir. Umstritten deshalb, weil der Revierförster von nebenan erst kürzlich die Freigabe zum Befahren für die hiesigen Revierjäger erteilt hat. Irgendwie war dieser Weg bis vor kurzem eine wohl weit in die Vergangenheit zurückliegende Streitsache!

Jedenfalls werde ich mit allen Mitteln versuchen, diese Grenze im Sinne meines jagdlichen Auftrags zu verteidigen und schon höre ich zum Teil hitziges Hundegebell herüberschallen, aus der staatlichen Seite. Aber das Hundegebell verliert sich wieder, als etliche Schüsse hintereinader gefallen sind. Zwischenzeitlich probiere ich Anschlagsarten und vertreibe mir die Zeit mit dem Versuch mich warm und meine frierenden Finger beweglich zu halten.

Es ist knapp 11:00 Uhr durch, als sich wieder das Kläffen eines kleinen Hundes von drüben nähernd.

Was ist das? Das hitzige Gekläffe kommt doch tatsächlich auf mich zu, wird heller und deutlicher? Spannung liegt in der Luft, überrascht schaue ich hinüber zur Grenze und darüber hinaus, um mitzukriegen was da vielleicht herüber wechselt! Gleich ist das Gebell in Nähe des Grenzwegs. Mein Adrenalinpegel schnellt augenblicklich bis in die Haarspitzen, als ich den ziehenden Rücken einer Sau zwischen den Jungholzstämmen herausblitzen sehe.

Weit unten hat sie bereits den Grenzweg passiert und quert seelenruhig den Hang in Richtung grauer Stein. Ein dreister Dackel verfolgt sie einige Meter dahinter. Keine Chance für einen sicheren Anschlag, ich springe auf und Sekunden später fange ich die Sau ein ins Absehen, den Zielstachel aufs Blatt und lasse fliegen! Die Sau überschlägt sich etliche Male in Richtung Tal und Potz Blitz, sie will wieder aufstehen.

Schon repetiert fliegen noch mal zwei Geschosse in ihre Richtung und drücken die Sau auf den Boden. Deutlich habe ich die Kugelschläge gehört und mein Adrenalinausbruch beruhigt sich zunehmend. Ich schicke dem Revierchef Andreas eine SMS "Keiler tot", denn das war nicht zu übersehen, der leicht Keilförmige Widerrist des Keilers und sein Pürzel waren unverkennbar auszumachen, auch auf diese Entfernung. Als gegen 12:00 Uhr Mittags die Zeit der nachbarlichen Drückjagd abgelaufen ist, packe ich mein Zeugs und mache mich auf den Weg, meine Beute zu begutachten. Meine Grippesymptome sind wie weggeblasen und überschwänglich laufe ich den Hang hinunter! Da liegt er nun, die Schwarte an mehreren Stellen rot gefärbt, etwa 80-90 Kilo schwer schätze ich.

Seine Waffen sind groß und die Haderer stehen weit aus seinem Wurf, stolz mache ich kehrt und gehe zurück zum Treffpunkt bei den parkenden Autos, an dem Andreas bereits auf Boris und mich wartet. Ich erkläre den beiden die Situation und wir fahren den Weg hinunter um den Keiler zu bergen. Nachdem wir ihn gefunden haben, schätzt Andreas das Gewicht auf über 100 Kilo und das Alter etwa auf 3 oder 4 Jahre.

Jetzt gibt es aber erst mal eine angemessene Fotorunde für dieses Spektakel.


Zu dritt ziehen wir dann den Keiler in Richtung Tal um ihn an einer Hütte, die mitten im Wald steht, auf den Tragekorb hinter Andreas Land Cruiser zu hieven. Es ist unsere einzige Beute an diesem kalten Januartag und als wir in den Jagdhof einfahren, kommen auch die anderen Jäger hinzu. Mit den vielen Waidmannsheil Glückwünschen, erfahre ich zum wiederholten Mal die ehrliche und neidlose Mitfreude meiner Jagdgenossen, die längst zu Freunden geworden sind. Gerne trinke ich dann im Jagdsalon der Schule noch einen Kaffee mit meinen Kollegen und wir reden über die alten Zeiten und die vielen Erlebnisse aus der gemeinsamen Zeit. Ich bin voller Freude, denn das war heute der dritte starke Keiler mit über 100 Kilo, den ich hier im Wiesensteiger Bergrevier erlegen konnte, das sind Erlebnisse, die ich nie vergessen werde und dankbar trete ich meine Heimreise an!

Vielen Dank an Andreas, Wolfgang, Martin und Boris und all die andern, gerne möchte ich mich bei Gelegenheit mal revanchieren und Euch, meine Wiesensteiger Jagdfreunde einladen in mein Revier nach Bayern, zum Beispiel dieses Jahr zum Enten- oder Gänsestrich.

Ich melde mich rechtzeitig und bis dahin verbleibe ich
mit freundlichem Waidmanns Heil, Euer Karl.

Wiesensteig im Januar, 2012.


Der Perückenbock aus Roberts Revier


Es ist Mittwoch, 06. Oktober 2010, ein schöner lauer Frühherbsttag, und ich schicke mich am frühen Abend an, noch einmal nach dem vermeintlichen Perückenbock zu schauen, der seit geraumer Zeit in unserem Revier für allerhand Gesprächsstoff sorgt - zumindest zwischen mir und dem Revierpächter, Robert Of, nachdem ich ihm schon vor etlichen Monaten von der Existenz dieser Seltenheit erzählt hatte.

Spät nachts, von einem erfolgreichen Sauansitz auf Heimfahrt - ich hatte gegen 23 Uhr eine kleine Rotte Sauen mit 6 Frischlingen im Anblick - fuhr ich herunter von der Bergwiese in Richtung Pferdekoppel und hinaus auf die Verbindungsstraße, die hinüber nach Krumbach führt.

Auf halbem Weg, schon unten in Richtung Pferdehof, springt mir ein etwas komisch aussehender großer Bock vor das Auto und verschwindet im angrenzenden Maisfeld. Gerade noch kann ich sein dickes, etwas verquollenes Gehörn erkennen: Mein erster Gedanke war, dass irgendeine Art von Geflecht, Zaun oder Drahtrest sich in seinen Gabeln verfangen hat. Ich denke mir noch, bei nächster Gelegenheit dem Revierpächter Robert von dieser Begegnung zu erzählen.

Die Gelegenheit ergab sich bald. Robert kam ein paar Tage später vorbei und brachte mir das präparierte Gehörn meines ersten in seinem Revier geschossenen Rehbocks, montiert auf einem schönen handgeschnitzten Brett. Ich erzählte ihm sogleich von der mysteriösen Begegnung.

„Ja, das weiß ich schon“, sagte er: „Uwe, unser ortsansässiger Mitjäger hat ihn auch schon gesehen.“ Es stellte sich im Gespräch heraus, dass es sich um einen sogenannten Perückenbock handelt. Robert warnte mich dann noch ausdrücklich davor, in dieser Ecke zu schießen, da dort viele Pferde auf den Koppeln stehen - und beinahe fröstelnd, was da alles passieren könnte - hakte ich diese Begegnung erstmal ab.

Nun sitze ich hier auf einem mitgebrachten Klappstuhl und starre auf eine grüne Wand vor mir, ein großes Maisfeld neben dem Pferdehof. Denn Robert hat von dem ansässigen Pferdezüchter erfahren, dass unser seltener Bock abends hier seine Runden dreht. Nachdem ich diesen Pferdezüchter persönlich kennen gelernt habe, erhielt ich von ihm die Erlaubnis, genau hier zu sitzen. Ich schaue leicht geblendet von der noch hoch am Himmel stehenden Sonne hinüber zum Maisfeld. Es ist noch früh, erst in zwei Stunden wird es dämmerig und meine Gedanken verlieren sich.

Noch vor wenigen Wochen, am letzten Tag vor meiner Abreise nach Russland, saß ich weiter oben auf einer Ansitz-Leiter und hoffte, ihn hier zu Gesicht zu bekommen und ich wunderte mich ein wenig, dass Robert diesen seltenen Bock auch mir, dem Revierneuling, zum Abschuss freigegeben hat. Nichtsdestotrotz dachte ich so für mich, dass der Bock wohl seinen Habitat und Einstand drüben im angrenzenden Forst hat - und da sind ja auch Jäger hinter ihm her, also was soll’s, ich versuche einfach mein Glück. Dieser Abend war etwas diesig und es nieselte ab und an. Mit meinem Fernglas fuhr ich alle vor mir liegenden Wiesenränder ab und längst hatte ich ausgekundschaftet, wie weit mein mögliches Schussfeld reicht, um die weiter unten stehenden Pferde nicht zu gefährden. Ein eingebauter Entfernungsmesser im Fernglas leistet dabei die entsprechende Hilfe.

Plötzlich kommt tatsächlich im letzten Dämmerlicht weit unten ein Rehbock auf die Wiese, begleitet von einer Geiß, und - ich fasse es nicht - beim genauen Hinschauen durchs Glas ist er es: Der vermeintliche Perückenbock. Ich sehe ihn nun zum zweiten Mal. Gleich gehe ich in Anschlag, aber er ist nur mehr ein grauer Klumpen, der sich da in meinem Absehen abbildet und die Entfernung? Nein, es ist zu weit, er steht unten am Wegrand, über 250 Meter entfernt, und gleich dahinter grasen auch Pferde, denn da ist eine Koppel des Pferdehofes.

Da verschwindet das Objekt meiner Begierde auch schon wieder samt der Geiß im Maisacker und ich bleibe verdutzt noch eine Weile wartend sitzen auf dem Leitersitz. Es macht aber keinen Sinn mehr länger zu bleiben, denn es ist bereits stockdunkle Nacht. Des andern Morgens rufe ich Robert an und erzähle ihm alle Einzelheiten meiner nächtlichen Begegnung. In meinem Kopf fasst sich sogleich der Gedanke: „Jetzt kann ich ihn endgültig abhaken, meinen Perückenbock, denn in fünf Wochen, wenn ich erst wieder aus Russland zurück bin, wird ihn Robert oder einer seiner Profijäger längst gestreckt haben“.

Aber wie das Leben so spielt, kam es anders. Schon wieder eine Weile aus Russland zurück, melde ich mich bei Robert und erfahre sogleich, dass trotz laufender Bemühungen keiner unserer Jäger den Perückenbock zu Gesicht bekommen hat. Außer dem Pferdehofbesitzer, der will ihn am helllichten Tag hier auf einer Anhöhe neben dem Maisfeld in Nähe seines Gehöftes bereits gegen 17 Uhr, also schon Stunden vor der Dämmerung, herumspazieren gesehen haben. Und deswegen sitze ich jetzt auch hier…

Aber ich glaube dem nicht so recht! Hat der Bock wirklich seinen Einstand gewechselt in dieses Maisfeld? Niemand außer mir hat ihn je hinein- oder heraus-wechseln sehen. Aber er war doch da - im Gespräch beim Pferdezüchter wurde mir eindeutig beschrieben, wie der Perückenbock ausgesehen hat. Langsam versinkt die Sonne hinter mir am Horizont und ich fasse kurzfristig den Entschluss hinauf zu wechseln, auf den Leitersitz, wo ich ihn schon mal bestätigt hatte.

Schnell packe ich zusammen, der Wind ist hier plötzlich auch gegen mich gerichtet und mit meinem Seifenblasentest sehe ich, wie der Wind sie hinüberträgt, die kleinen Blasen, in Richtung dahin, wo der Bock für gewöhnlich aus dem Maisfeld heraustreten sollte, zumindest nach der Theorie unseres Grundstücksbesitzers und Rangers des Pferdehofes.

Ich lasse den Jagdrucksack einfach unter dem Sitz liegen und baume hastig auf, es ist schon duster und ich denke, das wird sowieso nichts mehr heute. Ich richte mein Glas auf die Wiesenränder: Nichts ist da, außer den Umrissen der Pferde, die weit unten auf der Koppel noch ziemlich gut zu erkennen sind.


Jetzt schicke ich meiner Freundin eine SMS und teile ihr mit, dass ich bald daheim sein werde, als im Augenwinkel eine Bewegung auf der unter mir liegende Wiese auszumachen ist. Ich schaue genauer hin und da ist in der Tat mein Rehgespann wieder zu sehen. Mit dem Glas erkenne ich eindeutig den Perückenbock mit seiner Geiß. Ich kann es kaum glauben, so ein Glück. Sofort wechsle ich vom Fernglas zu meinem Repetierer und versuche, den Bock ins Absehen zu bugsieren. Aber: Was ist das da im rechten Augenwinkel?

Nachdem ich die Vergrößerung wieder auf das Zweifache heruntergedreht habe, erfasse ich drei weitere Rehe auf der Ackerfläche, die allesamt auf dem frischen jungen Kleeacker, neben dem Maisfeld, äsen. Jetzt wird es spannend, der Perückenbock zieht schnell weiter in Richtung Maisfeld, die Geiß mit ihm, und unter den drei weiteren Rehen in dessen Nähe ist noch mal ein Bock, etwas schwächer im Körperbau.

Schnell wird es duster, man sagt „im letzten Büchsenlicht“, und ich konzentriere mich auf meinen Perückenbock, der Gott sei dank seines Kopfschmucks wegen von anderen gut zu unterscheiden ist. Den R93 zur Schulter herangezogen und den rechten Arm zwischen den Leitersprossen geklemmt, schaue ich noch mal hinunter in den möglichen Schusskanal. Etwa 200 Meter ist der Bock entfernt und auch weiter unten erkenne ich keine stehenden Pferde auf der angrenzenden Koppel.

Jetzt oder nie! Der Schuss bricht die Stille und mein Bock zeichnet, bilde ich mir jedenfalls ein. Beim genauen Hinsehen ist die Wiese oder der Kleeacker aber plötzlich vor mir leer.

Ich baume ab und kann es kaum erwarten, runter zum Anschuss zu kommen. Nachdem ich mein Gepäck geschultert habe, mache ich mich auf den Weg. Es ist bereits dunkel und mit meiner Taschenlampe versuche ich den Anschuss hier auf dem riesigen Feld zu finden. Aber wo stand der Bock nun genau? Noch weiter unten, oder doch näher am Maisfeld? "Hols der Teufel", ich finde den Anschuss nicht und schon suche ich am Rande des Bestands herum, denn da flüchtete mein Bock ja wahrscheinlich zurück, auf der bekannten Ein- und Auswechselspur und da geht’s über Stock und Stein. In der beginnenden Buschvegetation hoffe ich irgendwo abgestreiften Schweiß zu finden.

Aber nichts, nichts ist zu sehen und schon beginne ich am sicheren Schuss zu zweifeln. Nach einer halben Stunde hole ich mein Auto und lasse meine Jagdhündin Moni suchen. Schnurstracks läuft sie auf dem Acker nach unten, immer weiter in Richtung Koppel, plötzlich zerrt sie an etwas und ich fasse es nicht, es ist mein Bock, der einfach in eine andere Richtung geflüchtet war. So weit unten am Wegrand habe ich ihn nicht vermutet - Gut getroffen ist er da, etwa 50 Meter vom Anschuss entfernt, zusammengebrochen.

Ich freue mich mit Moni und nach einem ausgiebigen Begutachten meiner Beute schicke ich meinem Revierpächter Robert und unserem Jäger Uwe eine SMS mit dem Wortlaut: "Der Perückenbock ist Geschichte, Gruß Karl".


Robert kommt tags darauf vorbei und macht ein paar Fotos von dem im Kühlschrank "schlummernden" exotischen Rehbock. Ich frage ihn, ob ich den Bock mit seiner Trophäe tatsächlich behalten darf und dass ich gerne ein Kopfpräperat anfertigen lassen würde.

Ich schaue in das ehrliche Gesicht von Robert und bemerke, dass es ihm nicht so leicht fällt, aber seine kurze Antwort ist: "Klar, du hast ihn geschossen und du kannst ihn behalten." Dass es sich um eine absolute Rarität handelt, erfahre ich erst, als ich ihn zu meinem Präparator Herbert Wilfer nach Ulm- Illerkirchberg bringe, der hat in den letzten 30 Jahren nur drei solcher Exemplare zu Gesicht bekommen und freut sich mit mir über den speziellen Auftrag.

Neu-Ulm, im Oktober 2010
mit freundlichem Waidmanns Heil
von Karl Holzinger


Walderlebnistag 2012


Den Wildtieren auf der Spur

Ferien Walderlebnistag im Kettershauser Gemeindewald.

Kinder erforschen die Natur Kettershausen Unter dem Motto „Walderlebnistag“ gestaltete die Kettershauser Jägerschaft um den Revierpächter Karl Holzinger ein vielfältiges Programm rund um die heimischen Wildtiere. Bei wunderschönem Sommerwetter erarbeiteten die Jäger Daniel Sonntag und Andreas Miller, beides selbst Pädagogen, ein abwechslungsreiches Programm, bei dem die Buben und Mädchen die Natur mit allen Sinnen erfahren konnten.

Zu Beginn wanderte die Gruppe an die Günz, um sich dort auf die Spuren des Bibers zu begeben. Neben Fraßspuren und Dammbauten sahen die Kinder zudem mehrere Präparate von echten Bibern. An-schließend ging es in den Wald, wo die kleinen Naturkundler in zwei Gruppen einen Wildtiereparcours durchliefen. Neben den richtigen Verhaltensweisen im Wald, der Prävention vor Fuchsbandwurm und Zecken lernten die Kinder Verhaltensweisen, Lautäußerungen und Besonderheiten der wichtigsten hei-mischen Wildtiere wie Reh, Fuchs, Wildschwein und Waldameise kennen. Interessiert stellten die Kinder auch Fragen über die Aufgaben eines Jägers und zur Waidmannssprache. Nach so viel Eindrücken stürmten die Kinder mit knurren-dem Magen an eine Waldlichtung, an der Jäger Beppo Mang schon Getränke und ein Lagerfeuer vorbereitet hatte, an dem jeder sich selbst seine Bratwurst am Stecken grillen konnte. Dank gilt dem Jagdpächter, der die Verpflegung gesponsert hatte.

Frisch gestärkt ging es zur nächsten Station: Falkner Roland Lochbrunner hat mit seinem Team verschiedene imposante Greifvögel ausgestellt. Gespannt lauschten die Kinder den Ausführungen des Falkners und sie saßen Aug in Aug mit Steinadler, Uhu und Co. Die Bürgermeisterin beim Fährtenlesen Auch die Bürgermeisterin der Gemeinde Kettershausen, Gabriele Janowsky, ließ es sich nicht nehmen, an der Veranstaltung mitzuwirken.

Mit ihrem Teckel „Ebbo“ verfolgte sie eine gelegte Fährte und zeigte den Teilnehmern einen Ausschnitt aus dem Aufgabenbereich der Jagdhunde. Zum Abschluss, bevor die Eltern ihre Kinder in Empfang nehmen konnten, gab es für jeden Teilnehmer ein Geschenk zum Andenken vom „Wunderbaum“ des Waldes. Und alle waren sich einig, dass diese etwas andere Ferienaktion im kommenden Jahr eine Neuauflage erfahren soll.

Auszug aus der "Augsburger Allgemeinen Zeitung" und der  "Illertisser Zeitung"

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